Freitag, 18. Dezember 2009

That's a knife.

Die australische Küche lässt sich ganz gut mit der Formel „amerikanische Küche + Rote Bete“ umschreiben, was die Australier aber dennoch nicht davon abhält, sich permanent über die amerikanische Küche aufzuregen. Das ist eine der vielen Erkenntnisse über das Land, die ich in meiner Zeit hier erlangt habe.

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Was ist in den letzten eineinhalb Wochen in Sydney noch passiert? Ich hab einige Stadtteile besucht, die ich zuvor noch nicht gesehen hatte, darunter Balmain, das Szene-Strandviertel Manly (welch ein Name) und Pennant Hills im sogenannten Hills Disctrict im Norden von Sydney, was auch die erste Überquerung der Harbour Bridge erforderte. Ich hab versucht, all die großen touristischen Angebote (u.a. den Sydney Tower) nachzuholen, für die ich bisher noch keine Zeit oder Lust hatte. Ich habe Avatar im IMAX Sydney auf der größten Leinwand der Welt in 3D geguckt, ein cineastisches Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Und ich war endlich auch einmal Surfen, was tatsächlich einen Riesenspaß macht – und wenn man es das erste Mal geschafft hat, erfolgreich aufzustehen, fühlt man sich wie der König der Welt, auch wenn die Bezeichnung „Welle“ für das kleine Aufschäumen des Wassers unter einem noch reichlich euphemistisch ist.

Jetzt neigt sich mein letzter Tag in Sydney dem Ende entgegen, in wenigen Stunden steigt meine Abschiedsfeier und der Koffer ist bereits fertig gepackt – es wird also Zeit für ein kleines Resümee:

Das erste, was einem wohl nach der Ankunft in Australien auffällt, ist die gelebte Höflich- und Freundlichkeit der Australier. Wildfremde Menschen reden mit „how are you?“ an, grundsätzlich ist jeder dein „mate“ und bei Busfahrten lassen die meisten Passagiere beim Aussteigen ein an den Fahrer gerichtetes, herzliches „thank you!“ durch den Bus schallen. Das ist am Anfang sogar eher irritierend, aber sobald man sich daran gewöhnt hat, trägt das sonnige Gemüt der anderen auch schnell zur eigenen guten Laune bei.

In amüsantem Kontrast zu den ganzen Höflichkeits-Floskeln steht das Fluchen, das in Australien wohl inzwischen eine eigene Kultur geworden ist. Selbst in hochgradig öffentlichen oder auch formellen Situationen (dazu zählen sogar Parlamentsdebatten im Fernsehen) wird sich nicht gescheut, eines der Four-Letter-Words zu gebrauchen, der durchschnittlich Aussie kann jederzeit eine Schimpftirade vom Stapel lassen, die selbst gestandene Seemänner zum Erröten bringen würde und selbst die Entschuldigung für das Gesagte läuft mit einem nachgeschobenen „pardon my French“ eher ironisch ab. Denn wie sagte mein Australian-Media-Studies-Dozent: „It’s just a fucking word“.

Was mich rückblickend am meisten erstaunt, ist wie stark eine „Lebe den Moment!“-Mentalität hier verbreitet ist. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Gehälter und Mieten hier nicht monatlich, sondern wöchentlich ge- bzw. bezahlt werden, was, wie ich es mir vorstellen könnte, eher zum Verprassen des Geldes verleitet, weil man eben deutlich kurzfristiger planen kann. Die meisten Australier, die ich hier kennengelernt habe, leben so, dass sie am Ende der Woche auf +/- 0 rauskommen, und es scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein, da die Regierung inzwischen Imagekampagnen für das Sparen im Fernsehen schaltet. Ein deutscher Kommilitone erzählte mir eine Anekdote von seinem australischen Mitbewohner, der eine Woche unbezahlten Urlaub nehmen musste und daraufhin seine Miete für die Woche nicht zahlen konnte, weil er eben grundsätzlich alles ausgibt, was er in der Vorwoche verdient hat.

Aber genug zu den Australiern, in erster Linie war ich ja zum Studieren in Sydney. Ich möchte hier jetzt nicht auf inhaltliche Unterschiede eingehen, zum einen habe ich das in Teilen ja in früheren Einträgen bereits gemacht, zum anderen würde eine detaillierte Auseinandersetzung über den unterschiedlichen Anteil von Medienwirkungs- und Mediennutzungstheorien in der australischen und deutschen Kommunikationswissenschaft wahrscheinlich auch schnell langweilen. Ich belasse es daher mit dem kurzen Fazit, dass mir der höhere Praxisanteil und die Fokussierung auf Popkultur natürlich sehr zugesagt, auf der anderen Seite aber die oftmalige theoretische Oberflächlichkeit ein wenig verwundert hat. Eine vergleichende Wertung kann und will ich hinsichtlich der Inhalte aber nicht abgeben.

Wo ich hingegen die University of Sydney deutlich über die LMU stellen muss, ist beim „Drumherum“, beim Uni-Leben an sich. Zum einen wurde mir bereits in der ersten Woche klar, dass ein echter Campus doch deutlich mehr hermacht als ein paar schnöde, über die Innenstadt verteilte Gebäude. Zum anderen – und auch das ist am Anfang eher irritierend, aber nach einer Zeit möchte man es nicht missen – hört das Studentenleben für die meisten hier eben nicht mit der Teilnahme an Vorlesungen und Seminaren auf. Bezeichnendes Beispiel dafür waren die Uniwahlen im Laufe des Semesters, bei denen unter anderem auch das Team, das für das nächste Semester für die Unizeitung verantwortlich ist, gewählt wird. Das resultierte dann in einen richtigen, dreiwöchigen Wahlkampf inklusive Infoständen auf dem Campus, Reden vor den Vorlesungen und geschätzten zwölftausend Flyern, die mir in den drei Wochen in die Hand gedrückt wurden. Und was in München völlig undenkbar wäre: Die Studentenvereinigung, die University of Sydney Union, besitzt ihr eigenes Haus (!) auf dem Campus, inklusive Restaurants und einer zweistöckigen Bar, die stadtweit bekannt ist und der unter anderem bereits „The Vines“ aufgetreten sind.

Eine kleine Enttäuschung war vielleicht, dass man größtenteils unter den anderen internationalen Studenten (aber das machen hier mehr als 10% aller Studenten aus) geblieben ist und sich zu den „Einheimischen“ nur wenige Kontakte ergeben haben. Auf der anderen Seite hat sich dadurch schnell eine Art „internationale Community“ gebildet, und das wiederum führt mich zurück zu Sydney, denn selten habe ich eine multikulturelle Stadt erlebt, was einen großen Teil der Faszination ausmacht. Läuft man durch die Straßen, so wird man seltener Englisch hören, als man das erwartet und in manchen Stadtteilen wie z.B. Haymarket, dem Chinatown Sydneys, kann man sogar froh sein, wenn ein Schild überhaupt in Englisch beschriftet ist. Dennoch fühlt sich die Stadt zu keinem Zeitpunkt als aufgeteilt, sondern fühlt sich bei aller Vielfältigkeit immer als eine große, urbane Einheit an.

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Ich könnte viele Absätze über Sydney an sich schreiben, aber um hier endlich auch wieder ein paar Bilder reinzukriegen und gleichzeitig die Vielseitigkeit der Stadt zu demonstrieren, belasse ich es bei einer Vorstellung meiner persönlichen Top 5 der besten Spots in Sydney:

Platz 5 – Pyrmont Point Park

Quasi der einzige „Geheimtipp“ in dieser Liste: Der Pyrmont Point Park ist ein winziger Park an der Spitze der Halbinsel nördlich von Darling Harbour. Was ihn so lohnenswert macht, ist unter anderem die Lage direkt am Hafen und zwischen den beiden berühmtesten und schönsten Brücken der Stadt – links die ANZAC Bridge, rechts Harbour Bridge. Während man die Aussicht genießt, lässt sich mit den kostenlosen Grills nebenher ein Barbie veranstalten. Außerdem ist er einer er wenigen Parks in Sydney, in dem öffentlich Alkohol getrunken werden darf. Kurzum: Der perfekte Ort für einen sonnigen Samstagnachmittag.

Platz 4 – Royal Botanic Gardens

Der schönste Park der Stadt, garniert mit einer herrlichen Aussicht. Der beste Ort zum Entspannen in Sydney. Und damit ist auch schon alles gesagt.

Platz 3 – Die Strände

Ursprünglich wollte ich hier Bondi Beach (das Bild zeigt auch Bondi) bringen, aber das wäre ehrlich gesagt Schwachsinn, weil sich bei den vielen Stadtstränden zwar Unterschiede finden lassen, diese aber je nach Situation anders beurteilt werden müssen. Bondi und Manly eignen sich für Surfen, Shoppen und Feiern, relaxen funktioniert am besten in Coogee und Tamarama – besuchen sollte man sie alle einmal.

Platz 2 – Newtown

Vor einigen Wochen habe ich schon einmal ausführlich über Newtown geschrieben, deshalb hier nur noch einmal ganz knapp: Das Viertel, in dem ich gewohnt und die meiste Zeit verbracht habe, besticht durch ein ganz eigenes, artsy Flair, viele Pubs und, nicht zu verachten, gutem und günstigem Thai-Essen. Ich hab auf jeden Fall sehr gerne hier gelebt.

Platz 1 – Darling Harbour

Ein großes innerstädtisches Erholungsgebiet mit zahlreichen Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten sowie einigen Bars und Clubs, außerdem auch Ausgangspunkt der berüchtigten Booze Cruises. Mir persönlich gefällt Darling Harbour deutlich besser als das andere Ausgehviertel Sydneys, Kings Cross. Tagsüber perfekt zum Herumwandern und Schlendern geeignet, zeigen sich die wahren Vorzüge erst nachts, wenn man beim Feiern diese Aussicht genießen kann:

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Aber wie gesagt: Sydney fasziniert als Ganzes, und ich kann inzwischen gut verstehen, warum sie so viele die schönste Stadt der Welt nennen. Ich hatte eine großartige Zeit hier, die natürlich viel zu schnell vorbeigegangen ist, aber bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht das letzte Mal hier gewesen bin. Ich hoffe, dass mein Blog euch zumindest in Ansätzen vermitteln konnte, warum mich Australien im Allgemeinen und Sydney im Speziellen absolut begeistert hat (und wer noch nicht genug hat, ist gerne zum längsten Fotoabend der Welt eingeladen, denn nur ein Bruchteil meiner Bilder hat es auch hier rein geschafft).

Und bevor das jetzt hier ausartet, verabschiede ich mich mit einer Slideshow aus Fotos, auf denen ich gestern versucht habe, ein Gewitter über Sydney vom wahrscheinlich besten Aussichtspunkt der Stadt einzufangen:

Vielen Dank fürs Lesen und bis bald,

Julian

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