Freitag, 18. Dezember 2009

That's a knife.

Die australische Küche lässt sich ganz gut mit der Formel „amerikanische Küche + Rote Bete“ umschreiben, was die Australier aber dennoch nicht davon abhält, sich permanent über die amerikanische Küche aufzuregen. Das ist eine der vielen Erkenntnisse über das Land, die ich in meiner Zeit hier erlangt habe.

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Was ist in den letzten eineinhalb Wochen in Sydney noch passiert? Ich hab einige Stadtteile besucht, die ich zuvor noch nicht gesehen hatte, darunter Balmain, das Szene-Strandviertel Manly (welch ein Name) und Pennant Hills im sogenannten Hills Disctrict im Norden von Sydney, was auch die erste Überquerung der Harbour Bridge erforderte. Ich hab versucht, all die großen touristischen Angebote (u.a. den Sydney Tower) nachzuholen, für die ich bisher noch keine Zeit oder Lust hatte. Ich habe Avatar im IMAX Sydney auf der größten Leinwand der Welt in 3D geguckt, ein cineastisches Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Und ich war endlich auch einmal Surfen, was tatsächlich einen Riesenspaß macht – und wenn man es das erste Mal geschafft hat, erfolgreich aufzustehen, fühlt man sich wie der König der Welt, auch wenn die Bezeichnung „Welle“ für das kleine Aufschäumen des Wassers unter einem noch reichlich euphemistisch ist.

Jetzt neigt sich mein letzter Tag in Sydney dem Ende entgegen, in wenigen Stunden steigt meine Abschiedsfeier und der Koffer ist bereits fertig gepackt – es wird also Zeit für ein kleines Resümee:

Das erste, was einem wohl nach der Ankunft in Australien auffällt, ist die gelebte Höflich- und Freundlichkeit der Australier. Wildfremde Menschen reden mit „how are you?“ an, grundsätzlich ist jeder dein „mate“ und bei Busfahrten lassen die meisten Passagiere beim Aussteigen ein an den Fahrer gerichtetes, herzliches „thank you!“ durch den Bus schallen. Das ist am Anfang sogar eher irritierend, aber sobald man sich daran gewöhnt hat, trägt das sonnige Gemüt der anderen auch schnell zur eigenen guten Laune bei.

In amüsantem Kontrast zu den ganzen Höflichkeits-Floskeln steht das Fluchen, das in Australien wohl inzwischen eine eigene Kultur geworden ist. Selbst in hochgradig öffentlichen oder auch formellen Situationen (dazu zählen sogar Parlamentsdebatten im Fernsehen) wird sich nicht gescheut, eines der Four-Letter-Words zu gebrauchen, der durchschnittlich Aussie kann jederzeit eine Schimpftirade vom Stapel lassen, die selbst gestandene Seemänner zum Erröten bringen würde und selbst die Entschuldigung für das Gesagte läuft mit einem nachgeschobenen „pardon my French“ eher ironisch ab. Denn wie sagte mein Australian-Media-Studies-Dozent: „It’s just a fucking word“.

Was mich rückblickend am meisten erstaunt, ist wie stark eine „Lebe den Moment!“-Mentalität hier verbreitet ist. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Gehälter und Mieten hier nicht monatlich, sondern wöchentlich ge- bzw. bezahlt werden, was, wie ich es mir vorstellen könnte, eher zum Verprassen des Geldes verleitet, weil man eben deutlich kurzfristiger planen kann. Die meisten Australier, die ich hier kennengelernt habe, leben so, dass sie am Ende der Woche auf +/- 0 rauskommen, und es scheint ein weitverbreitetes Phänomen zu sein, da die Regierung inzwischen Imagekampagnen für das Sparen im Fernsehen schaltet. Ein deutscher Kommilitone erzählte mir eine Anekdote von seinem australischen Mitbewohner, der eine Woche unbezahlten Urlaub nehmen musste und daraufhin seine Miete für die Woche nicht zahlen konnte, weil er eben grundsätzlich alles ausgibt, was er in der Vorwoche verdient hat.

Aber genug zu den Australiern, in erster Linie war ich ja zum Studieren in Sydney. Ich möchte hier jetzt nicht auf inhaltliche Unterschiede eingehen, zum einen habe ich das in Teilen ja in früheren Einträgen bereits gemacht, zum anderen würde eine detaillierte Auseinandersetzung über den unterschiedlichen Anteil von Medienwirkungs- und Mediennutzungstheorien in der australischen und deutschen Kommunikationswissenschaft wahrscheinlich auch schnell langweilen. Ich belasse es daher mit dem kurzen Fazit, dass mir der höhere Praxisanteil und die Fokussierung auf Popkultur natürlich sehr zugesagt, auf der anderen Seite aber die oftmalige theoretische Oberflächlichkeit ein wenig verwundert hat. Eine vergleichende Wertung kann und will ich hinsichtlich der Inhalte aber nicht abgeben.

Wo ich hingegen die University of Sydney deutlich über die LMU stellen muss, ist beim „Drumherum“, beim Uni-Leben an sich. Zum einen wurde mir bereits in der ersten Woche klar, dass ein echter Campus doch deutlich mehr hermacht als ein paar schnöde, über die Innenstadt verteilte Gebäude. Zum anderen – und auch das ist am Anfang eher irritierend, aber nach einer Zeit möchte man es nicht missen – hört das Studentenleben für die meisten hier eben nicht mit der Teilnahme an Vorlesungen und Seminaren auf. Bezeichnendes Beispiel dafür waren die Uniwahlen im Laufe des Semesters, bei denen unter anderem auch das Team, das für das nächste Semester für die Unizeitung verantwortlich ist, gewählt wird. Das resultierte dann in einen richtigen, dreiwöchigen Wahlkampf inklusive Infoständen auf dem Campus, Reden vor den Vorlesungen und geschätzten zwölftausend Flyern, die mir in den drei Wochen in die Hand gedrückt wurden. Und was in München völlig undenkbar wäre: Die Studentenvereinigung, die University of Sydney Union, besitzt ihr eigenes Haus (!) auf dem Campus, inklusive Restaurants und einer zweistöckigen Bar, die stadtweit bekannt ist und der unter anderem bereits „The Vines“ aufgetreten sind.

Eine kleine Enttäuschung war vielleicht, dass man größtenteils unter den anderen internationalen Studenten (aber das machen hier mehr als 10% aller Studenten aus) geblieben ist und sich zu den „Einheimischen“ nur wenige Kontakte ergeben haben. Auf der anderen Seite hat sich dadurch schnell eine Art „internationale Community“ gebildet, und das wiederum führt mich zurück zu Sydney, denn selten habe ich eine multikulturelle Stadt erlebt, was einen großen Teil der Faszination ausmacht. Läuft man durch die Straßen, so wird man seltener Englisch hören, als man das erwartet und in manchen Stadtteilen wie z.B. Haymarket, dem Chinatown Sydneys, kann man sogar froh sein, wenn ein Schild überhaupt in Englisch beschriftet ist. Dennoch fühlt sich die Stadt zu keinem Zeitpunkt als aufgeteilt, sondern fühlt sich bei aller Vielfältigkeit immer als eine große, urbane Einheit an.

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Ich könnte viele Absätze über Sydney an sich schreiben, aber um hier endlich auch wieder ein paar Bilder reinzukriegen und gleichzeitig die Vielseitigkeit der Stadt zu demonstrieren, belasse ich es bei einer Vorstellung meiner persönlichen Top 5 der besten Spots in Sydney:

Platz 5 – Pyrmont Point Park

Quasi der einzige „Geheimtipp“ in dieser Liste: Der Pyrmont Point Park ist ein winziger Park an der Spitze der Halbinsel nördlich von Darling Harbour. Was ihn so lohnenswert macht, ist unter anderem die Lage direkt am Hafen und zwischen den beiden berühmtesten und schönsten Brücken der Stadt – links die ANZAC Bridge, rechts Harbour Bridge. Während man die Aussicht genießt, lässt sich mit den kostenlosen Grills nebenher ein Barbie veranstalten. Außerdem ist er einer er wenigen Parks in Sydney, in dem öffentlich Alkohol getrunken werden darf. Kurzum: Der perfekte Ort für einen sonnigen Samstagnachmittag.

Platz 4 – Royal Botanic Gardens

Der schönste Park der Stadt, garniert mit einer herrlichen Aussicht. Der beste Ort zum Entspannen in Sydney. Und damit ist auch schon alles gesagt.

Platz 3 – Die Strände

Ursprünglich wollte ich hier Bondi Beach (das Bild zeigt auch Bondi) bringen, aber das wäre ehrlich gesagt Schwachsinn, weil sich bei den vielen Stadtstränden zwar Unterschiede finden lassen, diese aber je nach Situation anders beurteilt werden müssen. Bondi und Manly eignen sich für Surfen, Shoppen und Feiern, relaxen funktioniert am besten in Coogee und Tamarama – besuchen sollte man sie alle einmal.

Platz 2 – Newtown

Vor einigen Wochen habe ich schon einmal ausführlich über Newtown geschrieben, deshalb hier nur noch einmal ganz knapp: Das Viertel, in dem ich gewohnt und die meiste Zeit verbracht habe, besticht durch ein ganz eigenes, artsy Flair, viele Pubs und, nicht zu verachten, gutem und günstigem Thai-Essen. Ich hab auf jeden Fall sehr gerne hier gelebt.

Platz 1 – Darling Harbour

Ein großes innerstädtisches Erholungsgebiet mit zahlreichen Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten sowie einigen Bars und Clubs, außerdem auch Ausgangspunkt der berüchtigten Booze Cruises. Mir persönlich gefällt Darling Harbour deutlich besser als das andere Ausgehviertel Sydneys, Kings Cross. Tagsüber perfekt zum Herumwandern und Schlendern geeignet, zeigen sich die wahren Vorzüge erst nachts, wenn man beim Feiern diese Aussicht genießen kann:

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Aber wie gesagt: Sydney fasziniert als Ganzes, und ich kann inzwischen gut verstehen, warum sie so viele die schönste Stadt der Welt nennen. Ich hatte eine großartige Zeit hier, die natürlich viel zu schnell vorbeigegangen ist, aber bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht das letzte Mal hier gewesen bin. Ich hoffe, dass mein Blog euch zumindest in Ansätzen vermitteln konnte, warum mich Australien im Allgemeinen und Sydney im Speziellen absolut begeistert hat (und wer noch nicht genug hat, ist gerne zum längsten Fotoabend der Welt eingeladen, denn nur ein Bruchteil meiner Bilder hat es auch hier rein geschafft).

Und bevor das jetzt hier ausartet, verabschiede ich mich mit einer Slideshow aus Fotos, auf denen ich gestern versucht habe, ein Gewitter über Sydney vom wahrscheinlich besten Aussichtspunkt der Stadt einzufangen:

Vielen Dank fürs Lesen und bis bald,

Julian

Donnerstag, 17. Dezember 2009

QLD III: The Gold Coast

Teil I | Teil II

Nach der letzten Fahrtetappe kamen wir gegen Mittag in Brisbane an und erneut versuchte erst einmal alles, unsere gute Stimmung zu zerstören, dieses Mal vor allem in Form eines schlechtgelaunten Hertz-Mitarbeiters, der uns für eine Stunde Verspätung einen gesamten zusätzlichen Tag plus Versicherungskosten berechnete. Es fällt jedoch schwer, sich in Brisbane wirklich über etwas aufzuregen, denn die Hauptstadt Queenslands, das merkt man bereits nach wenigen Minuten, ist eine wundervolle Metropole, die noch einmal ein ganz anderes Flair als beispielsweise Sydney oder Melbourne versprüht und die sprichwörtliche Laid-Back-Mentalität der Australier von den dreien sicherlich am stärksten verkörpert – die Leute bleiben bei einer roten Fußgängerampel sogar noch stehen (und ich dachte schon, das gäbe es nur noch in München). Selbst der Regen, der kurz nach unserer Ankunft einsetzte, konnte an dieser locker-erhabenen Stimmung nichts rütteln. Genau genommen mussten wir das sogar als Besonderheit betrachten, denn mit rund 300 Sonnentagen pro Jahr ist Brisbane eine der sonnenscheinreichsten Großstädte der Welt (und nach diesem kurzem Schauer sollten wir bis zur Rückkehr nach Sydney auch keinen Regen mehr erleben).

Außerdem hatte inzwischen auch die Adventszeit eingesetzt, und auch wenn Weihnachten hier im Hochsommer liegt, stehen die Australier in Sachen Kitsch-Deko uns Nordhalbkuglern nur wenig nach, wie man beispielsweise am großen Weihnachtsbaum vor der Town Hall erkennen konnte:

„Chrissie in Brissie“, um mal wieder die Abkürzungswut der Australier zu veranschaulichen, ist offenbar ein großes Event, und als ich beim ersten Spaziergang durch die Fußgängerzone einen Mädchenchor in Engelskostümen sah, die nach „Little Drummer Boy“ bei strahlendem Sonnenschein und knapp 30°C „I’m Dreaming of a White Christmas“ angestimmt haben, hatte das etwas so liebenswert-absurdes an sich, dass es einem einfach gut gehen musste.

Brisbane ist zwar die drittgrößte Stadt Australiens, aber doch um einiges kleiner als Sydney und Melbourne, was den Vorteil hat, dass die Innenstadt recht kompakt ist und man auch an nur einem Tag recht viel sehen kann. Lohnenswert sind vor allem (wie eigentlich in jeder australischen Großstadt) die Royal Botanic Gardens, die hier neben schicken Pflanzen auch mit interessantem Leben im Unterholz aufwarten:

Ebenfalls recht schick ist die Riverbank an dem der Innenstadt gegenüberliegenden Flußufer, wo auf dem Gelände der Weltausstellung von 1980-something ein großes Vergnügungsareal geschaffen wurde, inklusive London-Eye-Verschnitt und künstlichem Stadt-Strandbad:

Eine nette Aussicht über den Brisbane River auf den CBD hat man von dort aus auch:

Einen guten Ausgangspunkt für Stadtbesichtigungen bot aber schon die Dachterrasse unseres Hostels:

Eine Enttäuschung gab es dann lediglich am Abend, als sich das zuvor so hochgelobte Ausgehviertel „The Valley“ zumindest an diesem Mittwochabend als gerade einmal drei geöffnete Pubs und Clubs herausstellte (interessanterweise trägt die Hauptstraße des Valleys den Namen „Brunswick Street“, was auch der Name der größten Partystraße in Melbourne ist – die Australier machen es einem mit dem Zurechtfinden halt ziemlich leicht). Abgesehen davon ist Brisbane aber wirklich eine tolle Stadt, in der ich gerne auch noch einen Tag länger geblieben wäre. Der touristische Wert ist vielleicht etwas geringer als anderswo, aber Leben kann einem hier sicherlich viel Spaß bereiten.

Und mit XXXX Bitter brauen sie auch noch das beste Bier des Landes.

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Mit dem Zug ging es am nächsten Tag zum letzten Stopp unserer Reise an die 90km südlich von Brisbane gelegene Gold Coast, was inzwischen nicht mehr nur der Name des Küstenstreifens, sondern auch der zweitgrößten Stadt Queenslands ist. Bis in die frühen 60er hinein gab es dort nur einzelne, verschlafene Kommunen, die dann, als das touristische Potenzial erkannt wurde, in einer raschen Expansion zusammengewachsen sind. Heute ist Gold Coast vor allem was den Binnentourismus anbelangt das touristische Zentrum Australiens und hat sich den Ruf des australischen Miamis erarbeitet (die einzelnen Ortsteile tragen sogar Namen wie „Miami“, „Miami Beach“ und „Palm Beach“).

Wir hatten unser Quartier in Surfer’s Paradise (allein der Name schon!), im Guten wie im Schlechten das Zentrum von Gold Coast. Das Stadtbild wirkt komplett artifiziell und ist es eigentlich auch, die Stadt besteht nur aus Hotel- und Wohntürmen, teuren Boutiquen, sämtlichen Fast-Food-Ketten des Planeten und zig prolligen Nachtclubs, die auf Namen wie „The Bedroom“ und „Sin City“ hören (und es an einem Abend geschafft haben, mir den Spaß an „Empire State of Mind“ wohl für immer zu versauen. Ich hielt das ja am Anfang endlich mal wieder für ein hör-, ja gar ganz brauchbares Contemporary-Hip-Hop-Liedchen, aber nachdem ich es acht (!) Mal in einer Nacht hören musste, war das dann doch zu viel des guten).

Unter den Wolkenkratzern sticht ein Gebäude besonders hervor: Der Q1 Tower, höchstes Gebäude der Südhalbkugel (auch das ist im Übrigen so eine australische Eigenart: hier ist alles „[x] of the Southern Hemisphere“, wobei x unter anderem für „Oldest Pub“, „Biggest bridge“ und „Best Thai food“ stehen kann) und höchstes vornehmliches Wohngebäude der Welt.

Von oben hat man eine tolle Aussicht über Gold Coast (und bei perfekten Bedingungen gar bis nach Brisbane), und man bekommt auch schnell einen Eindruck davon, was denn den Reiz dieser Stadt ausmacht. Die vielen Kanäle und Inseln erinnern tatsächlich stark an Miami…

…und dann ist da natürlich vor allem der breite, endlos weite Sandstrand, der sich über mehr als 40km erstreckt – und nachmittags leider von all den Wolkenkratzern beschattet wird.

Das eigentliche Wahrzeichen von Surfer’s Paradise ist aber nicht der Q1, sondern von menschlicher Natur. Seitdem im Zuge der Expansion Parkuhren eingeführt wurden und das den Ärger der Bevölkerung nach sich zog, streifen die Meter Maids durch die Straßen der Stadt: Braungebrannte, lediglich mit Cowboyhut, goldenen Bikinis und High-Heels (bis vor kurzem noch Rollschuhen) bekleidete Damen, die Münzen in die Parkuhren werfen, damit niemand einen Strafzettel bekommt und nebenbei Merchandise-Artikel verkaufen, über die sich das gesamte Unternehmen finanziert. Das ist doch mal ein System, das man sich auch für München wünschen würde.

Insgesamt gibt es sicher genügend Gründe, die Gold Coast und ihren touristischen Wahnsinn zu hassen, aber sie bietet tolle Strände, warmes Meer und perfektes Wetter, und manchmal ist das in Verbindung mit einem guten Buch (ich las endlich mal was von Truman Capote) ja auch schon alles, was es braucht.

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Und das war er dann auch schon, unser Trip entlang der Ostküste Queenslands. Denkwürdig blieb noch die Taxifahrt vom Hostel zum Flughafen, als sich die Taxifahrerin auf halber Strecke als christlich-orthodoxe Fanatikerin entpuppte, die uns unvermittelt die Frage stellte, ob wir denn schon vom „Second Coming of Jesus“ gehört hätten, und uns fortan klarzumachen versuchte, dass unser Unwissen wohl daran liege, dass in den traditionellen Medien nur Lügen verbreitet würden, sie deshalb seit Jahren ja schon keine Nachrichten mehr schaue und Zeitung lese, und ihre Tochter inzwischen auch aus der Schule genommen habe, um sie von der Lügendiktatur des australischen Bildungssystems fernzuhalten und sie stattdessen nach der Wahrheit der Bibel zu erziehen. Außerdem lehne sie materielle Besitztümer vollständig ab, den Fahrpreis mussten wir aber dennoch bezahlen.

Dienstag, 15. Dezember 2009

QLD II: Tropic of Capricorn

Was bisher geschah...

Weitere zwei Minuten später hatte ich mich dann endlich getraut, meinen Fang ins Bad zu tragen und dort zu betrachten. Vorsichtig zog ich Schicht für Schicht die Bettdecke aus dem Knäuel zurück, bis – Trommelwirbel – der Kopf eines fetten, grünen Frosches zum Vorschein kam. Ich war natürlich erstmal erleichtert, dass es sich um keine Killerspinne oder Schlimmeres handelte, auf der anderen Seite kann einen in Australien ja bekanntlich alles töten (Lesetipp: „See Australia and DIE!“, zeigt anhand von bedauernswerten Beispielen, auf welch vielfältige Art und Weise das Land seine Besucher umbringt) und der Gedanke, dass ich mein einziges dünnes Laken gerade um den Leib eines vielleicht-ja-doch-toxischen Frosches gewickelt hatte, war dann auch alles andere als angenehm. Da ich auch nicht unbedingt ohne Bettdecke daliegen wollte, wenn das nächste Viech durchs Fenster gesprungen kommt, hab ich den Frosch wieder eingepackt, draußen in die Freiheit entlassen und den Rest der Nacht im (erstaunlich bequemen) Beifahrersitz unseres Hyundais verbracht.

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So bescheiden der Tag auch angefangen hatte, so großartig sollte er sich entwickeln. Airlie Beach ist das Tor zu den Whitsunday Islands, die der ausgesprochen kreative James Cook so genannt hat, weil er das Archipel an einem Pfingstsonntag umsegelt hat (und jetzt ratet mal, wann er die Weihnachtsinsel entdeckt hat). Für den ersten Tag hatten wir einen eintägigen Segeltrip auf einem ziemlich schnieken Katamaran gebucht, der auf den Namen „Camira“ gehört hat und Platz für ungefähr 50 Leute bietet. Einzig und allein die Farbe hätte man vielleicht nochmal überdenken sollen:

Aber egal, denn der Trip an sich war schlichtweg der Wahnsinn. Die Whitsundays geben ein tropisches, zum Großteil als Nationalpark geschütztes Inselparadies ab, das sich auch vor Fidschi und Konsorten nicht verstecken muss. Unser erster Stopp führte uns nach rund zwei Stunden Segelns an eine kleine Meerenge, die das beste Schnorchelgebiet bot, das ich bisher erlebt hatte (die Unterwasserkamera hatten wir leider in Cairns lassen müssen). Die Inseln liegen in den Randausläufern der Great Barrier Reefs, und so finden sich in klarstem, türkisblauen Wasser farbenfrohste Fische und Korallen, es ist schlichtweg eine Pracht. Einziger Nachteil: Im Sommer, also jetzt, ist das Gebiet auch für einige Quallen ziemlich attraktiv, namentlich die Seewespe (viel schöner ist der englische Name: box jellyfish), das giftigste Tier der Welt, und die Irukandji-Qualle, fiese kleine Bastarde, durchsichtig und nur einen Zentimeter im Durchmesser, im Wasser also praktisch unsichtbar, und zwar nicht ganz so giftig wie die Seewespe, aber dennoch lebensgefährlich. Baden wird daher nur im Stinger Suit, einem Ganzkörper-Schutzanzug, empfohlen.

Der Höhepunkt des Trips folgte aber erst am frühen Nachmittag, als wir an Whitehaven Beach anlegten, dem berühmtesten Strand des gesamten Archipels. Nun habe ich vor ein paar Monaten mich noch dahingehend geäußert, dass ein Strand eben ein Strand ist, Sand plus Meer, mehr braucht es nicht. Whitehaven Beach ist aber wirklich etwas Besonderes: Rund sieben Kilometer lang und zur unbewohnten Hauptinsel Whitsunday Island gehörend, ist der Strand dank eines extrem hohen Quarzgehalts der weißeste Sandstrand der Welt, was nebenbei noch Effekt hat, dass sich der Sand nur sehr langsam erhitzt und somit auch für die Füße äußerst angenehm ist. Und dank der Abgeschiedenheit hat man den Strand quasi für sich allein. Aber seht selbst:

Wieder an Bord gab es dann ein All-Inclusive-Buffet und sehr entspannte weitere drei Stunden auf See, und man kam nicht daran vorbei, sich an den Slogan der Coke-Zero-Werbung zu erinnern: „Das Leben, wie es sein sollte“. Dadurch angespornt, haben wir uns zu einer spontanen Bierreklame hinreißen lassen:

Und der Slogan passte wie Arsch auf Eimer.

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Die nächsten beiden Nächte haben wir dann auf einer der Inseln – Long Island, um genau zu sein - verbracht. Lediglich sieben der über 45 Inseln des Archipels sind bebaut, und selbst auf diesen ist bis auf die einzelnen Resorts alles zum Nationalpark zugehörig. Unser Resort hatte daher nicht nur einen sehr hohen Standard (und das für sagenhafte 30$ pro Nacht), über den angrenzenden Nationalpark fanden auch viele einheimische Tiere – Wallabies (Zwergkängurus), zahlreiche interessante Vogelarten und leider auch meine seit kurzem verhassten Frösche (die Broschüre des Resorts teilte mir mit, dass die Biester zwar nicht giftig sind, aber sich immerhin unter anderem von Vögeln ernähren) – den Weg in die Anlage.

Spaßig wurde es dann am Abend, als wir zusammen mit Bekannten aus Sydney, mit denen wir uns bereits vor dem Abflug auf der Insel verabredet hatten, und ein paar Leuten, die wir auf dem Segeltrip kennenlernten, den Nachtclub der Insel betraten und wahrscheinlich die ausgenommen vom DJ und dem Hotelpersonal ersten Menschen waren, die je den Tanzboden betreten hatten. Der DJ wurde aufgrund dieser unverhofften Beschäftigung zuerst regelrecht euphorisch, dann plötzlich äußerst angespannt und darauf bedacht, seinen großen Abend nicht zu vermasseln. Nachdem er uns einen Musikwunsch erfüllt („Down Under“ natürlich) hatte, verweigerte er uns den zweiten („AGAIN!“) und kommentierte das mit „trust me, we need some R’n’B now“ (wir waren wohlgemerkt weiterhin die einzigen Leute im Club). Drei Takte von „I Gotta Feeling“ später war der Laden dann auch wieder leer und wir besetzten stattdessen die Bar, deren überhöhte Getränkepreise auch nur kurzfristig ein Problem waren, da sich einer der Barkeeper zufällig als Schwede herausstellte und nach einigen kurzen Wortwechseln mit Carl und Martin uns für den Rest des Aufenthalts aufs Haus trinken ließ.

Tagsüber bestand die größte Herausforderung darin, sich der Entscheidung zwischen Lichtschutzfaktor 30 und 20 zu stellen, und anstatt hier jetzt ausführlich zu beschreiben, wie sich so ein Tag Nichtstun in den Liegematten eines tropischen Inselresorts anfühlt, liefere ich lieber noch ein paar Fotos hinterher, die für sich sprechen sollten.

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Nach zwei Nächten ging es dann am frühen Nachmittag per Fähre zurück nach Airlie Beach (dieses Mal in einem anderen Hostel), wo noch eine Nacht Feiern anstand, bevor wir uns am nächsten Morgen an die nächste Fahrtetappe machten. Airlie Beach ist rein auf den Tourismus ausgelegt und allein unser Hostel hatte wahrscheinlich mehr Betten als das Dorf ein Einwohner. Um dem Touristenansturm gerecht zu werden, sind so gut wie alle Schilder in dem Ort mehrsprachig – und manchmal äußerst verständlich übersetzt:


Wie man auf der Routenkarte vom vorherigen Eintrag sehen kann, folgte die längste Tagesstrecke (knapp 1000 Kilometer), die dann auch rund 10 Stunden Fahrzeit beanspruchte. Daher wird es höchste Zeit, endlich ein Bild vom Auto (und der typischen Vegetation) nachzuliefern:

Kurze Zeit später ist man dann plötzlich in der afrikanischen Steppe unterwegs:

Mittag machten wir in Rockhampton, der Rinderhauptstadt Australiens (natürlich hat man in der Gegend auch eine Big Cow errichtet, aber die war uns den Umweg nicht wert), wo wir wenig überraschend ein sehr leckeres Steak aßen. Ansonsten beweist Rockhampton nur erneut, dass die Australier, wenn sie denn wollen, sehr wohl breite Straßen bauen können – nur machen sie das eben nur in ruhigen, kaum befahrenen Städten:

Etwas südlich von Rockhampton überfährt man dann den Wendekreis des Steinbocks und verlässt damit offiziell die Tropen. Zum Abschied hatten diese aber noch ein besonderes Geschenk für uns: Einen Regenschauer von biblischem Ausmaß. Von hier auf jetzt machte der Sonnenschein apokalyptischen Wassermassen Platz, die Sichtweite war im Nu unter zehn Meter und es war eigentlich völlig unmöglich, da noch weiterzufahren. Echten Truckern macht das natürlich wenig aus:

Nach einer Viertelstunde war das Ganze aber schon wieder vorbei, und so kamen wir ohne größere Verspätung am Abend in unserem Tagesziel, Hervey Bay an. Hervey Bay ist das Tor zu Fraser Island, der größten Sandinsel der Welt, deren Besuch in unserer Planung jedoch einem längeren Aufenthalt auf den Whitsunday Islands gewichen ist. Stattdessen trafen wir uns für einen Abend mit „The Danes“, einer Gruppe von dänischen Ausstauschstudenten, die über das Semester hinweg immer nur im Kollektiv anzutreffen waren und daher mit einem Gruppennamen bedacht wurden. Da sich offenbar die Frösche dieser Welt gegen mich verschworen haben, hatte ich gerade erst meine festen Schuhe gegen die Thongs getauscht, als mir prompt der nächste grüne Plagegeist auf den Fuß sprang. Abgesehen davon war es aber ein schöner Abend, und es sollte dankbarerweise auch der letzte Frosch gewesen sein, dem ich auf der Reise begegnet bin.

Ganz ohne Cliffhanger unterbreche ich hier nun wieder – im dritten Teil folgt dann der letzte Abschnitt der Reise, der uns nach Brisbane und an die Gold Coast führte.