Weitere zwei Minuten später hatte ich mich dann endlich getraut, meinen Fang ins Bad zu tragen und dort zu betrachten. Vorsichtig zog ich Schicht für Schicht die Bettdecke aus dem Knäuel zurück, bis – Trommelwirbel – der Kopf eines fetten, grünen Frosches zum Vorschein kam. Ich war natürlich erstmal erleichtert, dass es sich um keine Killerspinne oder Schlimmeres handelte, auf der anderen Seite kann einen in Australien ja bekanntlich alles töten (Lesetipp: „See Australia and DIE!“, zeigt anhand von bedauernswerten Beispielen, auf welch vielfältige Art und Weise das Land seine Besucher umbringt) und der Gedanke, dass ich mein einziges dünnes Laken gerade um den Leib eines vielleicht-ja-doch-toxischen Frosches gewickelt hatte, war dann auch alles andere als angenehm. Da ich auch nicht unbedingt ohne Bettdecke daliegen wollte, wenn das nächste Viech durchs Fenster gesprungen kommt, hab ich den Frosch wieder eingepackt, draußen in die Freiheit entlassen und den Rest der Nacht im (erstaunlich bequemen) Beifahrersitz unseres Hyundais verbracht.
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So bescheiden der Tag auch angefangen hatte, so großartig sollte er sich entwickeln. Airlie Beach ist das Tor zu den Whitsunday Islands, die der ausgesprochen kreative James Cook so genannt hat, weil er das Archipel an einem Pfingstsonntag umsegelt hat (und jetzt ratet mal, wann er die Weihnachtsinsel entdeckt hat). Für den ersten Tag hatten wir einen eintägigen Segeltrip auf einem ziemlich schnieken Katamaran gebucht, der auf den Namen „Camira“ gehört hat und Platz für ungefähr 50 Leute bietet. Einzig und allein die Farbe hätte man vielleicht nochmal überdenken sollen:
Aber egal, denn der Trip an sich war schlichtweg der Wahnsinn. Die Whitsundays geben ein tropisches, zum Großteil als Nationalpark geschütztes Inselparadies ab, das sich auch vor Fidschi und Konsorten nicht verstecken muss. Unser erster Stopp führte uns nach rund zwei Stunden Segelns an eine kleine Meerenge, die das beste Schnorchelgebiet bot, das ich bisher erlebt hatte (die Unterwasserkamera hatten wir leider in Cairns lassen müssen). Die Inseln liegen in den Randausläufern der Great Barrier Reefs, und so finden sich in klarstem, türkisblauen Wasser farbenfrohste Fische und Korallen, es ist schlichtweg eine Pracht. Einziger Nachteil: Im Sommer, also jetzt, ist das Gebiet auch für einige Quallen ziemlich attraktiv, namentlich die Seewespe (viel schöner ist der englische Name: box jellyfish), das giftigste Tier der Welt, und die Irukandji-Qualle, fiese kleine Bastarde, durchsichtig und nur einen Zentimeter im Durchmesser, im Wasser also praktisch unsichtbar, und zwar nicht ganz so giftig wie die Seewespe, aber dennoch lebensgefährlich. Baden wird daher nur im Stinger Suit, einem Ganzkörper-Schutzanzug, empfohlen.
Der Höhepunkt des Trips folgte aber erst am frühen Nachmittag, als wir an Whitehaven Beach anlegten, dem berühmtesten Strand des gesamten Archipels. Nun habe ich vor ein paar Monaten mich noch dahingehend geäußert, dass ein Strand eben ein Strand ist, Sand plus Meer, mehr braucht es nicht. Whitehaven Beach ist aber wirklich etwas Besonderes: Rund sieben Kilometer lang und zur unbewohnten Hauptinsel Whitsunday Island gehörend, ist der Strand dank eines extrem hohen Quarzgehalts der weißeste Sandstrand der Welt, was nebenbei noch Effekt hat, dass sich der Sand nur sehr langsam erhitzt und somit auch für die Füße äußerst angenehm ist. Und dank der Abgeschiedenheit hat man den Strand quasi für sich allein. Aber seht selbst:
Wieder an Bord gab es dann ein All-Inclusive-Buffet und sehr entspannte weitere drei Stunden auf See, und man kam nicht daran vorbei, sich an den Slogan der Coke-Zero-Werbung zu erinnern: „Das Leben, wie es sein sollte“. Dadurch angespornt, haben wir uns zu einer spontanen Bierreklame hinreißen lassen:
Und der Slogan passte wie Arsch auf Eimer.
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Die nächsten beiden Nächte haben wir dann auf einer der Inseln – Long Island, um genau zu sein - verbracht. Lediglich sieben der über 45 Inseln des Archipels sind bebaut, und selbst auf diesen ist bis auf die einzelnen Resorts alles zum Nationalpark zugehörig. Unser Resort hatte daher nicht nur einen sehr hohen Standard (und das für sagenhafte 30$ pro Nacht), über den angrenzenden Nationalpark fanden auch viele einheimische Tiere – Wallabies (Zwergkängurus), zahlreiche interessante Vogelarten und leider auch meine seit kurzem verhassten Frösche (die Broschüre des Resorts teilte mir mit, dass die Biester zwar nicht giftig sind, aber sich immerhin unter anderem von Vögeln ernähren) – den Weg in die Anlage.
Spaßig wurde es dann am Abend, als wir zusammen mit Bekannten aus Sydney, mit denen wir uns bereits vor dem Abflug auf der Insel verabredet hatten, und ein paar Leuten, die wir auf dem Segeltrip kennenlernten, den Nachtclub der Insel betraten und wahrscheinlich die ausgenommen vom DJ und dem Hotelpersonal ersten Menschen waren, die je den Tanzboden betreten hatten. Der DJ wurde aufgrund dieser unverhofften Beschäftigung zuerst regelrecht euphorisch, dann plötzlich äußerst angespannt und darauf bedacht, seinen großen Abend nicht zu vermasseln. Nachdem er uns einen Musikwunsch erfüllt („Down Under“ natürlich) hatte, verweigerte er uns den zweiten („AGAIN!“) und kommentierte das mit „trust me, we need some R’n’B now“ (wir waren wohlgemerkt weiterhin die einzigen Leute im Club). Drei Takte von „I Gotta Feeling“ später war der Laden dann auch wieder leer und wir besetzten stattdessen die Bar, deren überhöhte Getränkepreise auch nur kurzfristig ein Problem waren, da sich einer der Barkeeper zufällig als Schwede herausstellte und nach einigen kurzen Wortwechseln mit Carl und Martin uns für den Rest des Aufenthalts aufs Haus trinken ließ.
Tagsüber bestand die größte Herausforderung darin, sich der Entscheidung zwischen Lichtschutzfaktor 30 und 20 zu stellen, und anstatt hier jetzt ausführlich zu beschreiben, wie sich so ein Tag Nichtstun in den Liegematten eines tropischen Inselresorts anfühlt, liefere ich lieber noch ein paar Fotos hinterher, die für sich sprechen sollten.
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Nach zwei Nächten ging es dann am frühen Nachmittag per Fähre zurück nach Airlie Beach (dieses Mal in einem anderen Hostel), wo noch eine Nacht Feiern anstand, bevor wir uns am nächsten Morgen an die nächste Fahrtetappe machten. Airlie Beach ist rein auf den Tourismus ausgelegt und allein unser Hostel hatte wahrscheinlich mehr Betten als das Dorf ein Einwohner. Um dem Touristenansturm gerecht zu werden, sind so gut wie alle Schilder in dem Ort mehrsprachig – und manchmal äußerst verständlich übersetzt:
Wie man auf der Routenkarte vom vorherigen Eintrag sehen kann, folgte die längste Tagesstrecke (knapp 1000 Kilometer), die dann auch rund 10 Stunden Fahrzeit beanspruchte. Daher wird es höchste Zeit, endlich ein Bild vom Auto (und der typischen Vegetation) nachzuliefern:
Kurze Zeit später ist man dann plötzlich in der afrikanischen Steppe unterwegs:
Mittag machten wir in Rockhampton, der Rinderhauptstadt Australiens (natürlich hat man in der Gegend auch eine Big Cow errichtet, aber die war uns den Umweg nicht wert), wo wir wenig überraschend ein sehr leckeres Steak aßen. Ansonsten beweist Rockhampton nur erneut, dass die Australier, wenn sie denn wollen, sehr wohl breite Straßen bauen können – nur machen sie das eben nur in ruhigen, kaum befahrenen Städten:
Etwas südlich von Rockhampton überfährt man dann den Wendekreis des Steinbocks und verlässt damit offiziell die Tropen. Zum Abschied hatten diese aber noch ein besonderes Geschenk für uns: Einen Regenschauer von biblischem Ausmaß. Von hier auf jetzt machte der Sonnenschein apokalyptischen Wassermassen Platz, die Sichtweite war im Nu unter zehn Meter und es war eigentlich völlig unmöglich, da noch weiterzufahren. Echten Truckern macht das natürlich wenig aus:
Nach einer Viertelstunde war das Ganze aber schon wieder vorbei, und so kamen wir ohne größere Verspätung am Abend in unserem Tagesziel, Hervey Bay an. Hervey Bay ist das Tor zu Fraser Island, der größten Sandinsel der Welt, deren Besuch in unserer Planung jedoch einem längeren Aufenthalt auf den Whitsunday Islands gewichen ist. Stattdessen trafen wir uns für einen Abend mit „The Danes“, einer Gruppe von dänischen Ausstauschstudenten, die über das Semester hinweg immer nur im Kollektiv anzutreffen waren und daher mit einem Gruppennamen bedacht wurden. Da sich offenbar die Frösche dieser Welt gegen mich verschworen haben, hatte ich gerade erst meine festen Schuhe gegen die Thongs getauscht, als mir prompt der nächste grüne Plagegeist auf den Fuß sprang. Abgesehen davon war es aber ein schöner Abend, und es sollte dankbarerweise auch der letzte Frosch gewesen sein, dem ich auf der Reise begegnet bin.
Ganz ohne Cliffhanger unterbreche ich hier nun wieder – im dritten Teil folgt dann der letzte Abschnitt der Reise, der uns nach Brisbane und an die Gold Coast führte.
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