Donnerstag, 17. Dezember 2009

QLD III: The Gold Coast

Teil I | Teil II

Nach der letzten Fahrtetappe kamen wir gegen Mittag in Brisbane an und erneut versuchte erst einmal alles, unsere gute Stimmung zu zerstören, dieses Mal vor allem in Form eines schlechtgelaunten Hertz-Mitarbeiters, der uns für eine Stunde Verspätung einen gesamten zusätzlichen Tag plus Versicherungskosten berechnete. Es fällt jedoch schwer, sich in Brisbane wirklich über etwas aufzuregen, denn die Hauptstadt Queenslands, das merkt man bereits nach wenigen Minuten, ist eine wundervolle Metropole, die noch einmal ein ganz anderes Flair als beispielsweise Sydney oder Melbourne versprüht und die sprichwörtliche Laid-Back-Mentalität der Australier von den dreien sicherlich am stärksten verkörpert – die Leute bleiben bei einer roten Fußgängerampel sogar noch stehen (und ich dachte schon, das gäbe es nur noch in München). Selbst der Regen, der kurz nach unserer Ankunft einsetzte, konnte an dieser locker-erhabenen Stimmung nichts rütteln. Genau genommen mussten wir das sogar als Besonderheit betrachten, denn mit rund 300 Sonnentagen pro Jahr ist Brisbane eine der sonnenscheinreichsten Großstädte der Welt (und nach diesem kurzem Schauer sollten wir bis zur Rückkehr nach Sydney auch keinen Regen mehr erleben).

Außerdem hatte inzwischen auch die Adventszeit eingesetzt, und auch wenn Weihnachten hier im Hochsommer liegt, stehen die Australier in Sachen Kitsch-Deko uns Nordhalbkuglern nur wenig nach, wie man beispielsweise am großen Weihnachtsbaum vor der Town Hall erkennen konnte:

„Chrissie in Brissie“, um mal wieder die Abkürzungswut der Australier zu veranschaulichen, ist offenbar ein großes Event, und als ich beim ersten Spaziergang durch die Fußgängerzone einen Mädchenchor in Engelskostümen sah, die nach „Little Drummer Boy“ bei strahlendem Sonnenschein und knapp 30°C „I’m Dreaming of a White Christmas“ angestimmt haben, hatte das etwas so liebenswert-absurdes an sich, dass es einem einfach gut gehen musste.

Brisbane ist zwar die drittgrößte Stadt Australiens, aber doch um einiges kleiner als Sydney und Melbourne, was den Vorteil hat, dass die Innenstadt recht kompakt ist und man auch an nur einem Tag recht viel sehen kann. Lohnenswert sind vor allem (wie eigentlich in jeder australischen Großstadt) die Royal Botanic Gardens, die hier neben schicken Pflanzen auch mit interessantem Leben im Unterholz aufwarten:

Ebenfalls recht schick ist die Riverbank an dem der Innenstadt gegenüberliegenden Flußufer, wo auf dem Gelände der Weltausstellung von 1980-something ein großes Vergnügungsareal geschaffen wurde, inklusive London-Eye-Verschnitt und künstlichem Stadt-Strandbad:

Eine nette Aussicht über den Brisbane River auf den CBD hat man von dort aus auch:

Einen guten Ausgangspunkt für Stadtbesichtigungen bot aber schon die Dachterrasse unseres Hostels:

Eine Enttäuschung gab es dann lediglich am Abend, als sich das zuvor so hochgelobte Ausgehviertel „The Valley“ zumindest an diesem Mittwochabend als gerade einmal drei geöffnete Pubs und Clubs herausstellte (interessanterweise trägt die Hauptstraße des Valleys den Namen „Brunswick Street“, was auch der Name der größten Partystraße in Melbourne ist – die Australier machen es einem mit dem Zurechtfinden halt ziemlich leicht). Abgesehen davon ist Brisbane aber wirklich eine tolle Stadt, in der ich gerne auch noch einen Tag länger geblieben wäre. Der touristische Wert ist vielleicht etwas geringer als anderswo, aber Leben kann einem hier sicherlich viel Spaß bereiten.

Und mit XXXX Bitter brauen sie auch noch das beste Bier des Landes.

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Mit dem Zug ging es am nächsten Tag zum letzten Stopp unserer Reise an die 90km südlich von Brisbane gelegene Gold Coast, was inzwischen nicht mehr nur der Name des Küstenstreifens, sondern auch der zweitgrößten Stadt Queenslands ist. Bis in die frühen 60er hinein gab es dort nur einzelne, verschlafene Kommunen, die dann, als das touristische Potenzial erkannt wurde, in einer raschen Expansion zusammengewachsen sind. Heute ist Gold Coast vor allem was den Binnentourismus anbelangt das touristische Zentrum Australiens und hat sich den Ruf des australischen Miamis erarbeitet (die einzelnen Ortsteile tragen sogar Namen wie „Miami“, „Miami Beach“ und „Palm Beach“).

Wir hatten unser Quartier in Surfer’s Paradise (allein der Name schon!), im Guten wie im Schlechten das Zentrum von Gold Coast. Das Stadtbild wirkt komplett artifiziell und ist es eigentlich auch, die Stadt besteht nur aus Hotel- und Wohntürmen, teuren Boutiquen, sämtlichen Fast-Food-Ketten des Planeten und zig prolligen Nachtclubs, die auf Namen wie „The Bedroom“ und „Sin City“ hören (und es an einem Abend geschafft haben, mir den Spaß an „Empire State of Mind“ wohl für immer zu versauen. Ich hielt das ja am Anfang endlich mal wieder für ein hör-, ja gar ganz brauchbares Contemporary-Hip-Hop-Liedchen, aber nachdem ich es acht (!) Mal in einer Nacht hören musste, war das dann doch zu viel des guten).

Unter den Wolkenkratzern sticht ein Gebäude besonders hervor: Der Q1 Tower, höchstes Gebäude der Südhalbkugel (auch das ist im Übrigen so eine australische Eigenart: hier ist alles „[x] of the Southern Hemisphere“, wobei x unter anderem für „Oldest Pub“, „Biggest bridge“ und „Best Thai food“ stehen kann) und höchstes vornehmliches Wohngebäude der Welt.

Von oben hat man eine tolle Aussicht über Gold Coast (und bei perfekten Bedingungen gar bis nach Brisbane), und man bekommt auch schnell einen Eindruck davon, was denn den Reiz dieser Stadt ausmacht. Die vielen Kanäle und Inseln erinnern tatsächlich stark an Miami…

…und dann ist da natürlich vor allem der breite, endlos weite Sandstrand, der sich über mehr als 40km erstreckt – und nachmittags leider von all den Wolkenkratzern beschattet wird.

Das eigentliche Wahrzeichen von Surfer’s Paradise ist aber nicht der Q1, sondern von menschlicher Natur. Seitdem im Zuge der Expansion Parkuhren eingeführt wurden und das den Ärger der Bevölkerung nach sich zog, streifen die Meter Maids durch die Straßen der Stadt: Braungebrannte, lediglich mit Cowboyhut, goldenen Bikinis und High-Heels (bis vor kurzem noch Rollschuhen) bekleidete Damen, die Münzen in die Parkuhren werfen, damit niemand einen Strafzettel bekommt und nebenbei Merchandise-Artikel verkaufen, über die sich das gesamte Unternehmen finanziert. Das ist doch mal ein System, das man sich auch für München wünschen würde.

Insgesamt gibt es sicher genügend Gründe, die Gold Coast und ihren touristischen Wahnsinn zu hassen, aber sie bietet tolle Strände, warmes Meer und perfektes Wetter, und manchmal ist das in Verbindung mit einem guten Buch (ich las endlich mal was von Truman Capote) ja auch schon alles, was es braucht.

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Und das war er dann auch schon, unser Trip entlang der Ostküste Queenslands. Denkwürdig blieb noch die Taxifahrt vom Hostel zum Flughafen, als sich die Taxifahrerin auf halber Strecke als christlich-orthodoxe Fanatikerin entpuppte, die uns unvermittelt die Frage stellte, ob wir denn schon vom „Second Coming of Jesus“ gehört hätten, und uns fortan klarzumachen versuchte, dass unser Unwissen wohl daran liege, dass in den traditionellen Medien nur Lügen verbreitet würden, sie deshalb seit Jahren ja schon keine Nachrichten mehr schaue und Zeitung lese, und ihre Tochter inzwischen auch aus der Schule genommen habe, um sie von der Lügendiktatur des australischen Bildungssystems fernzuhalten und sie stattdessen nach der Wahrheit der Bibel zu erziehen. Außerdem lehne sie materielle Besitztümer vollständig ab, den Fahrpreis mussten wir aber dennoch bezahlen.

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