Montag, 7. September 2009

Full House

Die meisten werden wissen, wie ich zu dem vermeintlichen Zusammenhang zwischen Plattenladensterben und Musikraubkopien stehe. Die Situation in Australien gibt mir dennoch zu denken übrig. Beobachtung 1: In Australien ist Internet schweineteuer und es gibt keine richtigen Flatrateangebote, was Downloads arg erschwert. Beobachtung 2: In Sydney wimmelt es nur so vor CD-Läden. Ich will jetzt natürlich keinen „Korrelation bedeutet Kausalität“-Schluss ziehen, dass man hier noch Musik im Laden kauft, kann und wird natürlich auch andere Gründe haben: Zum einen erschwert die Internetsituation ja auch legale Downloads, zum anderen und vor allem aber verlangen die Läden hier noch vernünftige Preise für CDs. Interessant ist die Sache dennoch, finde ich. Um mein Gewissen zu beruhigen, daher schnell zwei Alben gekauft.

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Heute beginnt tatsächlich bereits die siebte Woche des Semesters, womit am Freitag dann auch schon Halbzeit wäre. Das ist dann auch bereits der Grund, warum die Updates hier weiterhin nur sehr unregelmäßig kommen. Was die Arbeit unter dem Semester betrifft, wird hier in Australien deutlich mehr verlangt. Vergangene Woche waren zwei Essays fällig, am Donnerstag muss ein weiter eingereicht werden, am Freitag ist die Klausur in Marketing. Dafür ist dann mit der letzten Klausur auch wirklich Schluss, Arbeiten in den Semesterferien wie Hausarbeiten, Forschungsberichte etc. gibt es hier nicht. Und: In drei Wochen gönnt man uns netterweise eine Woche Spring Break, was wir wohl zu einem Ausflug nach Cairns nutzen werden.

Eine kleine Anekdote aus der vergangenen Uni-Woche: In Australian Media Studies diskutieren wir gerade viel über Werbung und aus welchen Gründen sie in welchen kulturellen Umfeldern ihre Wirkung erzielt. Ein Kommilitone sprach daher einen recht amüsanten Vorfall an: Microsoft werben auf ihrer Website mit einem Foto von einem Asiaten, einem Schwarzen und einer weißen Frau in einem Büro. Das Bild ist auf allen internationalen Microsoft-Websites dasselbe – bis auf in Polen, wo man den Schwarzen kurzerhand nachträglich durch einen Weißen ersetzt hat (und dabei klugerweise vergessen hat, die Hand nachzuretuschieren). Recht bizarr wurde die Sache allerdings dadurch, dass der Kommilitone ebenfalls behauptete, dass dies nicht bei Microsoft Polen, sondern bei Microsoft Deutschland geschehen sei und sich sofort eine Diskussion entwickelte, wie man das Vorgehen mit Deutschlands Geschichte vereinbaren könne und ob das jetzt ein typisches deutsches Verhalten sei. Die Diskussion war dann aber ziemlich schnell zu Ende, als ich anmerkte, dass der Slogan unter dem Bild eindeutig polnisch und eben nicht deutsch ist.

Und nachdem ich mich im vergangenen Eintrag bereits ausgiebig über das Verkehrssystem in Sydney ausgelassen hab, muss ich jetzt noch hinzufügen: Noch weniger Planung ist wohl in den Bau der Unigebäude geflossen. Ich hab hier beispielsweise ein Seminar in einem Gebäude, in dem nur die Stockwerke 3, 4 und 5 sowie 1 und 2 verbunden sind. Wer also aus dem vierten in den ersten Stock will, muss die Treppe in den dritten Stock nehmen, das Gebäude dort verlassen, eine Außentreppe zu einem Eingang in den zweiten Stock folgen und von dort die Treppe in den ersten Stock nehmen. Und das ist kein Einzelfall! Einen der Essays musste ich im „Media and Communications Office, Level 2, Holme Building“ abgeben. Dieses Office fand man (und im folgenden ist tatsächlich der einzig mögliche Weg beschrieben), in dem man das Holme Building über eine Außentreppe auf Level 3 betreten hat, durch einen Innenhof marschierte, den Rücktrakt des Gebäudes durchquerte, den Hinterausgang nahm und dort einer kleinen Außentreppe nach unten folgte, unter der sich dann den Eingang befand. Es hat ab dem ersten Betreten des Gebäudes sicherlich 20 Minuten gedauert, bis ich das Office gefunden hab, und auf dem Rückweg hab ich einige verzweifelte Kommilitonen getroffen, denen es genauso ging.

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Genug zur Uni, kommen wir zum deutlich weniger verwirrenden Drumherum. Seit einer Woche wohnt ja jetzt der gute Lamberty-John bei mir, außerdem hatte meine Mitbewohnerin Paola vor vier Wochen einen neuen Italiener angeschleppt, sodass das Sechs-Personen-Haus zwischenzeitig mit acht Leuten bevölkert war. Inzwischen ist der Landlord aber dahintergekommen, dass der Italiener hier inoffiziell einen Monat wohnte und hat ihn rausgeworfen, was kurzzeitig zu einigen Spannungen im Haushalt führte, weil offenbar einer meiner Mitbewohner den armen Massimo verraten hatte. Inzwischen ist die Situation aber einigermaßen bereinigt und alle vertragen sich wieder.

Richtig voll wurde das Haus am Tag nach Jonas‘ Ankunft, weil wir eine weitere Hausparty angesetzt hatten, die nochmals deutlich ausufernder als die vorherige Feier ausgefallen ist. Gesamtbilanz: Rund 40 Gäste, zwei zerstörte Fließen und die Erkenntnis, dass in Sydney die Polizei selbst bei nächtlichen Lärmbeschwerdeeinsätzen noch sehr entspannt und freundlich daherkommt. Nochmals weitaus epischer war aber die Feier am vergangen Freitag, die ungefähr unter folgender Beschreibung firmierte: Flatrate-Bad-Taste-Harbour-Night-Booze-Cruise. Das sah dann wie folgt aus: Ein paar Leute hatten eine Fähre samt großer Tanzfläche und DJ gebucht, die die Nacht hindurch quer durch Sydneys Hafen geschippert ist. Die Gäste zogen sich im Bad-Taste-Stil an, zahlten einmal Eintritt und bekamen dafür so viel Bier, Wein und Pizza, wie sie wollten. Ein Partykonzept, das man sich merken sollte. (Verwackelte) Bilder gibt’s davon auch genügend, die heb ich mir aber lieber für meine Rückkehr auf.

Damit es hier zwischendurch doch ein paar Fotos gibt, hier drei Bilder von einer kleinen Stadttour, die Gelegenheit für einige „Wir posieren vor den berühmten Sehenswürdigkeiten, um zu beweisen, dass wir auch wirklich da waren“-Fotos gab. Hier bin ich vor der Harbour Bridge, und zwar vom Opera House aus:

Das Opera House vom gegenüberliegenden Ufer. Man beachte bitte die Aufschrift des T-Shirts in Kombination mit dem gezeigten Gebäude:

Und ein Foto, das die Strapazen einer solchen Stadtwanderung ganz gut verdeutlicht:

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Gestern standen dann schließlich als Tagesausflug die Blue Mountains auf dem Programm. Mit dem Zug ging es daher zwei Stunden nach Katoomba, ein beschauliches 8000-Seelen-Kaff-turned-Touristenattraktion und die wichtigste Stadt in den Blue Mountains. Katoomba ist auf einem Hochplateau ungefähr 1000 Meter über dem Meeresspiegel am Rande von steilen Felsklippen gelegen, unter denen sich 250 – 300 Meter weiter unten das Jamison Valley erstreckt, eines der größten Täler der Blue Mountains. Überregional bekannt ist das Tal vor allem dafür, dass sich immer wieder Backpacker und Bushwalker heillos darin verirren (wie man auf den Bildern gleich sehen wird, ist das wohl auch nicht gerade schwierig). Ungefähr zeitgleich zu meiner Ankunft in Sydney ging beispielsweise ein 19-jähriger britischer Tourist verschollen, der nach zwölf Tagen (!) im Wald lebend von Campern gefunden wurde (hat man darüber auch in Deutschland berichtet?).

Die größte Attraktion von Katoomba sind aber nicht der fantastische Blick auf das komplett mit Eukalyptus-Regenwald überwucherte Jamison Valley oder die zigtausend Kakadus, die in den Wäldern leben, sondern eine Felsformation namens Three Sisters, der Legende nach drei Aboriginie-Schwestern namens Meenhi, Wimlah und Gunnedoo, die vom Stammesältesten in Stein verwandelt wurden, um sie in einer Schlacht zu beschützen – der besagte Stammesälteste starb dann aber während der Schlacht, und so müssen die armen Mädels noch so lange in der Gegend herumstehen, bis die Erosion sie vollständig abgetragen hat:

Ebenfalls auf den Bildern zu erkennen, ist der bläuliche Dunst über den Wäldern, hervorgerufen durch das Öl der Eukalyptusbäume, der dem Gebirge seinen Namen gibt. Wir haben den Tag vor allem mit einigen kürzeren, vorgegebenen Bushwalks entlang der Felsklippen verbracht. Außerdem haben wir uns ein Ticket für die Scenic World gekauft, wo man zuerst mit einer Glasbodengondel über eine rund 260 Meter hohe Schlucht schwebt, um dann mit der steilsten Seilbahn der Welt (54°, wirklich verdammt steil) in das Valley hinabzufahren und dort den Regenwald zu erkunden. Wirklich ein sehr lohnenswerter Ausflug, der Japaner in mir hat insgesamt über 300 Fotos gemacht – neuer Tagesrekord (mal gucken was Great Barrier Reef und tropischer Regenwald in Cairns so hergeben werden).

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Achja, im Kino war ich natürlich auch ein paar Mal. Da wäre natürlich der neue Tarantino, der trotz eines Durchhängers im zweiten Kapitel enorm unterhaltsame Inglourious Basterds, der ganz nebenbei bemerkt der erste viersprachige Film ist, an den ich mich erinnern kann (nimm das, Chungking Express!) – daher unbedingt in der Originalfassung angucken. So richtig, richtig gut ist auch District 9, eine im Dokumentarstil gedrehte – Multi-Alliteration ahead –, actionreiche Apartheids-Allegorie mit Aliens in Afrika. Lohnt sich. Ich bin dann mal meinen Wahlschein abschicken und hoffe, dass es sich ebenfalls lohnt.

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