Donnerstag, 15. Oktober 2009

Spring Break

Ich habe Vegemite furchtbar Unrecht getan. Inzwischen habe ich den australischten aller Brotaufstriche noch einmal probiert und siehe da: wenn man weiß, was einen erwartet und wie man es portionieren muss (nämlich nur ganz hauchdünn aufstreichen), schmeckt das Zeug gar nicht so übel – als Katerfrühstück ist es gar ganz hervorragend. Das ist nur eine Erkenntnis, die ein Road Trip von Melbourne nach Adelaide und zurück während der (des?) einwöchigen Spring Break erbracht hat. Aber von Anfang an:

Es beginnt ein bisschen wie ein schlechter Witz: Mieten sich zwei Deutsche, ein Norweger und eine Australierin ein japanisches Auto. Genau genommen beginnt es aber noch ein bisschen früher, da der Rest bereits einen Tag eher nach Melbourne geflogen ist, ich aber noch Uni hatte und deshalb erst später nachreisen konnte. Im Flugzeug saß ich zufälligerweise neben einem Australier mit deutschen Eltern namens Wolfgang, der zusammen mit seinem Sohn in Sydney war, von seiner Frau am Flughafen abgeholt werden sollte und mir nach kurzem Gespräch anbot, mich in die Stadt mitzunehmen, damit ich mir die 30$ für den Shuttle-Bus sparen kann. Die Australier sind eben ein nettes Volk. Surreal wurde es aber, als er, der zuvor noch kein einziges deutsches Wort gesagt hatte, und seine Frau im Auto anfingen, sich in tiefstem Schwäbisch zu unterhalten. Ha, des isch scho verrückt, gell?

Am Anfang standen also zwei Tage Melbourne auf dem Plan. Die große Rivalität zwischen Sydney und Melbourne existiert bis heute und da ich in Sydney wohne, wird von mir natürlich automatisch erwartet, alles an Melbourne schlecht zu finden. Aber was soll ich sagen: Melbourne ist, soweit ich das nach dem kurzen Aufenthalt beurteilen kann, eine fantastische Stadt, die zwar einiges schlechter (das Wetter! Nicht umsonst wird die Stadt mit „Vier Jahreszeiten an einem Tag“ beschrieben), aber auch einiges besser macht als Sydney. Zu letzterer Kategorie zählt mit Sicherheit die Club- und Barszene. Die ganze Stadt ist voll mit wundervollen kleinen Bars und die Clubs spielen tatsächlich auch gute Musik. Ich hab Sydney noch keinen Club gefunden, der mich völlig überzeugt, in Melbourne war dagegen mit dem herrlichen, in einer verwinkelten Seitengasse versteckten „Croft Institute“ gleich der erste Abend ein Volltreffer. Am zweiten Abend hatte man uns die Brunswick Street empfohlen, durch ein Missverständnis sind wir aber im recht weit entfernten Stadtteil Brunswick gelandet, in dem es nur einen geöffneten Pub gab, der gerade von einer lokalen Punkband auseinandergenommen wurde. War dennoch spaßig.

Besagte Seitengassen sind auch so eine Eigenheit von Melbourne. Das Stadtzentrum ist zwar im klassischen Blocksystem angelegt, die Blocks werden aber immer wieder von oftmals kaum drei Meter breiten Gassen zerschnitten, in denen sich Cafés, Bars und kleine Läden ansammeln. Meistens tragen die Gassen den Namen der nächsten großen Straße (zur Flinders Street, der Hauptstraße des CBD, gehört z.B. die Flinders Lane), manchmal finden sich aber auch Abweichungen von dem System, wie zum Beispiel folgende, nach Melbournes berühmtesten Söhnen benannte Gasse:

Und manchmal finden sich auch recht dubiose Angebote:

Zeitgleich zu unserem Aufenthalt war übrigens das große AFL-Finale (kurz zur zeitlichen Einordnung: Ich bin mal wieder viel zu spät dran, das war bereits der Samstag vor zweieinhalb Wochen), weshalb, wie aufmerksame Leser bereits erahnen können, in der Stadt natürlich die Hölle los war. An so gut wie jedem Platz gab es Public-Viewing-Leinwände, vor denen (oder zumindest vor einer, alles andere wäre ja Schwachsinn) wir uns es auch gemütlich gemacht hätten, wenn nicht nach einem herrlichen Vormittag sich das Wetter spontan dazu entschieden hätte, die Stadt den Rest des Tages mit eisigem Dauerregen zu überziehen. Dank der höchsten Museen- und Kunstgalleriendichte der Welt (und das ist noch erstaunlicher angesichts der Weitläufigkeit der Stadt – so viele Einwohner wie Berlin, aber doppelt so groß) gibt’s aber auch bei schlechtem Wetter noch genug zu tun in Melbourne.

Erster Stopp war ein Museum, wie es besser auf mich nicht zugeschnitten sein könnte: Das Australian Centre for the Moving Image, das sich komplett Film, Animation und Videospielen widmet. Sehr faszinierend war eine Ausstellung zum neuseeländischen Künstler Len Lye, der sich durch „direkte Filme“ einen Namen gemacht hat: In „Free Radicals“ hat er beispielsweise mit Rasierklingen und ähnlichen Gegenständen die Animation eigenhändig in eine schwarze Filmrolle gekratzt.

Hauptattraktion des ACMIs ist jedoch eine riesige, dauerhafte Ausstellung namens Screen Worlds, die sich mit allen Facetten der Geschichte bewegter Bilder auseinandersetzt – von Laterna magica über den Wilhelm Scream bis hin zu Internet-Memes –, die mich dann direkt man drei Stunden beschäftigt hat. Spezielle Aufmerksamkeit wurde natürlich der australischen Filmszene zuteil (von Aboriginefilmen bis hin zu – I shit you not, fellow nerds! – Zero Punctuation), sodass ich auch einige Exponate zum größten aller Kinohelden aus Down Under, dem dieses Blog seinen Namen verdankt, bewundern konnte.

Nach dem Popkultur-Overload stand dann auch noch etwas Hochkultur auf dem Plan, da es in der National Gallery of Victoria gerade eine umfassende Ausstellung zu Salvador Dali gab. Mein persönliches Highlight war hier die Aufführung von „Destino“, einem erst kürzlich rekonstruierten Animationskurzfilm, für den Dali 1945 mit Walt Disney zusammengearbeitet hat, was mir zuvor völlig unbekannt war. Hat sich gelohnt, auch wenn die Ausstellung im Gegensatz zum ACMI sogar eine ordentliche Stange Eintritt gekostet hat.

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Ich könnte noch deutlich mehr zu Melbourne schreiben, habe es aber bei dem verlinkten Fotoalbum belassen, denn eigentlich sollte es hier ja um unseren Roadtrip gehen, was mir jetzt wieder die Möglichkeit gibt, eine Route aufzuzeichnen:

Erste Etappe des Trips war die berühmteste Straße Australiens, die Great Ocean Road, die ungefähr eine Stunde von Melbourne entfernt beginnt und sich dann rund 300km an der Pazifikküste entlangschlängelt. Die kurvenreiche Straße gilt völlig zu Recht als schönste Straße des Kontinents und lässt sich auch oft im Fernsehen bewundern, da so ziemlich jeder Automobilhersteller seine Fernsehspots hier dreht. Und da es wohl etwas unsinnig wäre, das alles nur zu beschreiben, wird sich dieses Blog jetzt kurzfristig in einen Fotoroman verwandeln.

Wenig spektakulär geht’s los in Torquay, dem offiziellen Beginn der Great Ocean Road. Im Sommer hätte das zugegeben aber wieder anders ausgesehen – da gilt Torquay nämlich als eine der Surf-Hauptstädte des Kontinents. Der Showdown von „Gefährliche Brandung“ wurde übrigens auch dort gedreht.

Das nächste Dorf auf dem Weg heißt Anglesea und bietet als größte Attraktion einen Golfplatz, auf dem auch einige Kängurus leben.

Viel wichtiger ist jedoch: Ab Anglesea führt die Straße dann wirklich direkt an der Küste entlang. Weil auf der Straße trotz des Bekanntheitsgrades recht wenig los ist, kann man sich im Übrigen auch ganz gut an das Fahren auf der linken Straßenseite gewöhnen.

Meine Fotos sagen mir jetzt, dass nach Anglesea folgender Leuchtturm gekommen ist, die genaue Geschichte dazu hab ich aber vergessen. Später gibt’s aber noch einen anderen Leuchtturm, über den kann ich dann mehr berichten.



Der nächste größere Ort auf der Strecke nennt sich Lorne und gilt als das belebte Zentrum der Great Ocean Road. Belebt bedeutet in dem Fall knapp 1000 Einwohner. Immerhin gibt’s 10 Minuten entfernt im Landesinneren die recht hübschen Erskine Falls zu sehen.

Und einen langen, unaufgeregten Pier haben sie auch.

Mir fällt gerade auf, dass ich kaum Bilder von der Straße an sich gemacht hab. Die folgenden Bilder sollten aber zumindest ansatzweise vermitteln, wie das so aussieht.


Da wir recht spät in Melbourne losgekommen sind und auch das Wetter, wie man sieht, nicht allzu berauschend war, haben kurz nach Lorne beschlossen, im nächsten „größeren“ Ort zu übernachten. Das war dann das beschauliche Apollo Bay, in dem nach 20 Uhr noch genau ein Laden geöffnet hatte – ein ordentlich überteuertes italienisches Restaurant. Aber man ist ja nur einmal in Apollo Bay.

Am nächsten Morgen war das Wetter zwar auch nicht besser, aber dafür lag der berühmteste Teil der Great Ocean Road noch vor uns. Nach Apollo Bay verlässt die Strecke aber erstmal die Küste und führt eine Zeit durch die Eukalyptuswälder des Cape Otway National Parks, die den geneigten Touristen einen wichtigen Punkt auf der Checkliste abhaken lassen: Koalabären in freier Wildbahn sichten.

Am namensgebenden Cape Otway steht dann ein erneuter Leuchtturm, dessen Einsatz ab 1884 sich durchaus bezahlt gemacht hat. Der Küstenabschnitt hier trägt nämlich den Namen „Shipwreck Coast“, der von den über 200 Schiffen stammt, die an den Klippen hier zum Großteil vor Inbetriebnahme des Leuchtturms zerschellt sind.



Ebenfalls an der Shipwreck Coast gibt es einen Aussichtspunkt namens Moonlight Head, der auf Klippen gelegen ist, die mit bis zu 120 Metern Höhe zu den höchsten des Festlandes zählen.



Ab Princetown geht’s dann wieder zurück an die Küste. Sehr sympathisch fand ich in Princetown ein Restaurant namens „Talk of the Town“, das seinen Namen sicher auch der Tatsache zu verdanken hat, zugleich auch das einzige Restaurant des Dorfs zu sein.

Nach Princetown sind es nur zehn Minuten zur bekanntesten Sehenswürdigkeit der Great Ocean Road: die „Twelve Apostles“, bis zu 60 Meter hohe Kalksteinfelsen, die frei im Meer stehen. Inzwischen sind sie durch Erosion bedingt zwar nur noch zu acht, dennoch sind die Apostel nach dem Uluru die meistfotografierte Attraktion Australiens. Wir haben natürlich auch unseren Beitrag dazu geleistet.



Die Küste bietet hier noch weitere schicke Felsformationen, zum Beispiel die Loch Ard Gorge, deren berühmtester Felsbogen aber im Juni dieses Jahres eingestürzt ist. Macht trotzdem noch was her.

Ebenfalls eingestürzt, aber bereits 1990, ist der erste Bogen der London Bridge, die seitdem nur noch London Arch heißt. Nette Anekdote hierzu: Als die Verbindung zum Land abbrach, saßen natürlich ausgerechnet gerade zwei Touristen auf der falschen Seite, die dann mit dem Helikopter zurück zum Festland geflogen werden mussten.

Ab da führt die Strecke dann wieder durchs Inland und endet schließlich in Warrnambool, wo wir dann auch übernachteten. Warnambool ist dank angrenzender Universität sogar eine etwas größere Stadt (~30.000 Einwohner), was bedeutet, dass die Pubs erst um 23 Uhr schließen.

Bekannt ist Warrnambool außerdem als beliebter Whale-Sighting-Spot, und am nächsten Morgen hatten sich sogar einige Wale in Strandnähe versammelt. Ich hatte mir das aber etwas aufregender vorgestellt:

(Die Wale sind die schwarzen Flecken hinter den Surfern).

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Gut, das war jetzt wieder eine ganze Stange an Text und Bildern, daher mach ich es wie beim letzten Mal, breche an dieser Stelle ab und werde dem Spring-Break-Bericht in den kommenden Tagen eine Fortsetzung verpassen. Vorschau: die Mordhauptstadt Australiens, frei lebende Kängurus und ein ausgezeichnetes Festival in Sydney.

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