Sonntag, 15. November 2009

Leaving Newtown

Zeit wird’s, lange genug lag dieses schöne Blog auf Eis. Fangen wir deshalb direkt mit – Achtung, Wahnsinnsüberleitung – dem besten Eis der Welt an. Ich präsentiere:

Der Name stammt natürlich aus einer Zeit, in der das Wörtchen „gay“ noch eine andere Denotation hatte und ich find es dann doch ziemlich sympathisch von Streets (so heißt Langnese hier), dass sie den Namen beibehalten haben. Hat sich auch ausgezahlt, denn inzwischen ist das Eis hier ziemlicher Kult. Das Viererpack im Supermarkt wird sogar mit „4 chances to have a gay time!“ beworben. Schmeckt aber auch, das nur nebenbei bemerkt, recht ordentlich.

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Morgen beginnt tatsächlich schon die letzte Woche des Semesters, eine Prüfung hab ich bereits hinter, zwei noch vor mir. Die Prüfungsregeln sind hier etwas strikter als in München, man bekommt beispielsweise für jede Klausur eine Sitzplatznummer zugeteilt, außerdem besitzt das Aufsichtspersonal Scanner, mit denen sie im Vorbeigehen die Hosentaschen auf verbotene elektronische Geräte untersuchen können. Blödsinniger sind da nur die vorgegeben 10 Minuten Lesezeit vor jeder Klausur, die einem vor allem bei langen Multiple-Choice-Klausuren gar nichts bringen, weil man sich in der Zeit nicht einmal Notizen machen darf, und der Ablauf der kommenden Australian-Media-Studies-Klausur: 70% der Klausur machen nämlich ein Essay aus, den wir dort schreiben müssen, dessen Fragestellung aber bereits bekannt ist (Zusammenhang zwischen Postmodernity und Postmodernism an einem selbstgewählten Filmbeispiel erklären), sodass wir den Text jetzt zuhause vorbereiten und dann – inklusive Literatur-Referenzen – auswendig lernen dürfen.

Ein Vorteil hingegen ist, dass mit der letzten Klausur auch wirklich Schluss ist, Hausarbeiten und andere Späße hatten ihren Abgabeschluss alle bereits in der letzten Vorlesungswoche. Danach hatte man dann eine Woche study break und eben noch zwei Wochen Klausurenphase. Das ist dann eigentlich auch schon der Grund für Blogwüste der vergangenen Wochen, weil außer Arbeitsabgaben und das Feiern derselben recht wenig passiert ist. Halloween hat hier gleich zwei Tage gedauert, weil am Abend vor Halloween bereits eine dieser herrlichen nächtlichen Harbour Cruises angeboten wurde, bei denen 400 verkleidete Leute ein paar Stunden auf einem Schiff durch den Hafen schippern und sich zu schlechter Musik betrinken. Das Interessanteste an Halloween hier ist aber nicht der hohe Anteil der Damen, die sich als Stripperin verkleiden bzw. Kostüme anziehen, die man sonst nur besagtem Berufszweig zuordnen würde, sondern der ebenfalls erstaunliche hohe Anteil an Männern, die die Gunst der Stunde nutzen und als Frau, bevorzugt Playmate, gehen – ein Fest für Psychoanalytiker. Carl (mein schwedischer Mitbewohner) und ich konnten uns als Kostüm nicht zwischen Goth Punk und Zombie entscheiden, weshalb wir kurzerhand mit schwarzer Haarfarbe, viel Eyeliner und Blutige-Wunden-Tattoos aus dem Ein-Dollar-Shop „Undead Rockstar“ zum Motto erklärten und ich jetzt inständig hoffe, dass davon niemals Fotos auftauchen werden.

Halloween selbst hat dann mit einer Sondervorstellung des grandiosen „Zombieland“ begonnen, im Anschluss haben meine Mitbewohner und ich dann bei uns eine Feier geschmissen, die mit rund 60 Gästen auch so die Maximalkapazität des Hauses ausgelotet hatte. Im Garten sah es so aus:

Ich selbst hab mich vor allem über meinen Einfall gefreut, während der Feier auf dem Fernseher im Wohnzimmer die erste Mordszene aus „Suspiria“ in Endlosschleife laufen zu lassen und ließ es Kostümtechnisch etwas pragmatischer angehen:

Insgesamt würde ich die Feier als vollen Erfolg beurteilen, auch wenn das Chaos am nächsten Morgen uns nicht nur viel Zeit zum Aufräumen, sondern auch fast unsere Kaution gekostet hat, und ich es klugerweise geschafft habe, mich im Laufe des Abends aus meinem Zimmer auszusperren und daraufhin im Wohnzimmer schlafen musste.

Ansonsten ist der Sommer jetzt endgültig angekommen, in den vergangenen Wochen gab es täglich immer über 25°C, oft sogar noch deutlich mehr. Am bisher heißesten Tag hatte es in der Innenstadt unerträglich drückende 39°C, was sich dann nur am Strand aushalten lässt. Das hält die Australier aber nicht davon ab, bereits Mitte Oktober die Weihnachtsvorbereitungen und -dekorationen zu beginnen. Immerhin hab ich dadurch an besagtem heißesten Tag des Jahres den beschissensten Job der Welt gefunden: In Sydney sieht man häufig „wandelnde Reklametafeln“, zumeist junge Leute, die mit einem selbstgeschriebenen Werbeschild um den Block laufen und auf Angebote bei lokalen Gebrauchtwagenhändlern hinweisen. Als ob das bei den Temperaturen noch nicht strapaziös genug wäre, hat die arme Dame, die ich gesehen hab, auch noch (in der ersten Novemberwoche!) für einen „Christmas Sale“ geworben – und musste daher die ganze Zeit ein dickes Rentierkostüm tragen.

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Was steht jetzt also noch an? Am Dienstag und Donnerstag sind wie gesagt noch zwei Klausuren, am Samstag flieg ich dann zusammen mit den beiden Schweden nach Cairns, um von dort aus knapp drei Wochen lang die Ostküste Queenslands abzufahren, weshalb es den nächsten Eintrag auch erst in einem Monat oder so geben wird. Danach stehen noch einmal zehn Tage Sydney an und dann war es das auch schon.

Um auf den Titel des Eintrags zu sprechen zu kommen: Das bedeutet natürlich auch, dass ich am Samstag ausziehen werde, für die restliche Zeit in Sydney werde ich mir wohl ein Hostel in Bondi oder Umgebung suchen. Weil ich zwar bisher viele Fotos von Sehenswürdigkeiten etc. gezeigt habe, aber eigentlich kaum etwas von dem schönen Newtown, wo ich ja die meiste Zeit verbracht habe, rücke ich nun das Text-Bilder-Verhältnis gerade und präsentiere ein paar Impressionen aus meinem Stadtviertel.

Einer der gemütlichsten Orte in Newtown ist der Camperdown Memorial Rest Park, ein kleiner Park rund um einen Friedhof und Kirche und gut zwei Minuten von unserer Haustür gelegen. Bekannt wurde der Park dadurch, dass ein paar Szenen des australischen Kultfilms „Priscilla – Königin der Wüste“ hier gedreht wurden:


Die weißen Zelte zeigen die Vorbereitungen für das Newtown Festival, Sydneys größtes Community Festival, das am nächsten Tag stattfand. Das sieht dann so aus:



Die Bilder zeigen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt und werden den Dimensionen nicht ganz gerecht, daher noch ein paar Zahlen: Auf vier Bühnen spielten an einem Tag knapp 50 Bands, zusätzlich gab es über 100 Zelte und Stände von lokalen Künstlern und Verkäufern, jährlich hat das Festival rund 80.000 Besucher. Und das Wetter war, wie es sich für ein Festival gehört, scheiße.

Hauptverkehrsader in Newtown ist die King Street, die ich in einem früheren Beitrag schon einmal erwähnt habe. Ein paar Eindrücke:



Auf dem letzten Bild ist übrigens auch Kelly’s on King zu sehen, unser Stammpub – vor allem deshalb, weil es dort jeden Montagabend ein gratis Aussie-Barbie (übersetzt: australisches Grillfest) gibt. Auf folgendem Foto sieht man eines der typischen Straßencafés an der King Street, „The Old Fish Shop“. Das ist auch für irgendetwas bekannt, für was genau hab ich aber vergessen. Immerhin gibt es in der Innenstadt ein Café namens „Not The Old Fish Shop“.

Geht man von hier aus nach links, kommt man in zehn Minuten sicher an 25 Thai-Restaurants vorbei. Ganz treffend wird das durch dieses Bild veranschaulicht:

(Im Vordergrund Newtown Thai II (das Beste!), dahinter Thai-La-Ong 2 (Nummer 1 ist auf der anderen Seite von Newtown Thai II), Thai Riffic (das Wortspiel find ich fast noch blöder als Thai Tanic, das sich knapp drei Minuten weiter auf der anderen Straßenseite befindet) und Thanh Binh.)

Nach der Thai-Meile wird die King Street dann zur City Road, rahmt zusammen mit der Parramatta Road die Uni ein (auf obigem Bild leider nur durch die grüne Brücke zu sehen), vereint sich mit der Parramatta Road dann für 500 Meter zum Broadway, der dann wiederum zur George Street wird, die diesen Namen dann tatsächlich bis zum Ende der Straße am Circular Quay behält. So viel zu durchdachten Straßennamen.

Würde man hingegen vom Old Fish Shop nach rechts abbiegen und immer auf der Straße bleiben (und sich nicht von den vielen Namensänderungen irritieren lassen), käme man irgendwann in Adelaide raus – aber wer würde das schon wollen?

Über die Stadtgrenzen hinaus ist Newtowns Graffiti- und Street-Art-Szene bekannt:





Am berühmtesten und beeindruckendsten ist das ziemlich gigantische „Martin Luther King Mural“:

In Ermangelung eines besseren Schlusswortes: Schee‘ is!

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Quasi als Bonustrack gibt es jetzt noch ein paar Fotos von der tollen Open-Air-Ausstellung „Sculpture by the Sea“ hinterher, die gerade für zwei Wochen in Sydney gastiert. Auf den Klippen und Stränden zwischen Bondi Beach und Tamarama Beach sind hier zurzeit rund 120 Skulpturen ausgestellt. Hervorheben möchte ich aber drei Fotos, die nichts mit der Ausstellung an sich zu tun haben. Die ersten beiden illustrieren ganz gut den Humor der Stadtverwaltung:


Das andere zeigt ebenfalls keine Skulptur, sondern die Behausung eines stadtbekannten Obdachlosen, der sich zwischen den Klippen ein Zimmer mit Meerblick gebaut hat und dort schon seit einigen Jahren lebt:

Nun aber zur eigentlichen Ausstellung – und bevor Nachfragen kommen: Nein, der creepy nackte Junge ist nicht echt.